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Die Bilder des Schauprozesses gegen „Pussy Riot“ gingen durch alle Medien. Auf der ganzen Welt formierten sich Unterstützungsbewegungen, die Sängerin Madonna rief zur Freilassung der Kunstaktivistinnen auf und die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek verurteilte in einem übers Internet veröffentlichten Pamphlet den Prozess als „Ende aller Demokratie in Russland“. Wegen eines 5minütigen Auftritts in der Moskauer Erlöserkathedrale wurden drei der Aktivistinnen von „Pussy Riot“ schliesslich zu 2 Jahren Haft verurteilt. Die Begründung: Verlet- zung der Gefühle Gläubiger, Gotteslästerung, Agitation gegen die russische Nation. Ein absurdes Urteil, das im Westen Entsetzen hervorrief.

Doch was als plötzliche Offenbarung eines autoritären Gottesstaats erscheint, hat eine lange Vor- geschichte. Sie beginnt mit Putins Wahl zum Ministerpräsidenten im Jahr 1999. Der ehemalige KGB-Agent sichert seine Herrschaft mit einem Schulterschluss mit nationalistischen und extrem orthodoxen Kreisen. Unmerklich verschwinden die chaotischen, aber liberalen Zustände, wie sie unter Gorbatschow und Jelzin geherrscht haben. Insbesondere die Künstler, die sich nicht nach den neuen Richtlinien einer regimetreuen, russisch-orthodoxen Staatskunst richten wollen, ge- raten ins Visier eines Systems, in dem Justiz, Geheimdienst und Medien eng zusammen arbeiten. 

Mit der Zerstörung der religionskritischen Ausstellung „Vorsicht, Religion“ im Jahr 2003 und dem darauf folgenden Prozess gegen die Kuratoren ist der point of no return erreicht. Mit Billigung des Staates ruft der Moskauer Patriarch zur „Vertreibung der Dämonen“ und zur „Rettung Russlands“ auf. Nach einem Schauprozess entgehen die Ausstellungsmacher nur knapp der Verurtei- lung zur Zwangsarbeit, eine der Hauptangeklagten nimmt sich das Leben. In der Folge werden dissidente Kunstschaffende und Aktivisten konsequent ins Ausland oder die Illegalität getrieben – wie zuletzt die Aktivistinnen von „Pussy Riot“. „Dieser Prozess war der Tod der kritischen Kunst, er zerstörte das Milieu, in dem wir leben konnten“, sagte später der russische Kulturphilosoph Michail Ryklin in einem Interview.

DIE MOSKAUER PROZESSE zeichnet diese Geschichte einer staatlich und kirchlich inszenier- ten Kampagne gegen unbequeme Künstler nach – mit den Mitteln des politischen Theaters. Im Sacharow-Zentrum Moskau, wo die im Jahr 2003 zerstörte Ausstellung „Vorsicht, Religion“ statt- fand, wird ein Gerichtssaal aufgebaut. In einem inszenierten Schauprozess mit den wichtigsten Exponenten des russischen Kulturkampfs tritt „die Kunst“ gegen „die Religion“ an, das „dissidente“ gegen das „wahre“ Russland.

Auf der Bühne stehen dabei nicht Schauspieler, sondern Akteure aus dem realen, politischen Leben: professionelle Anwälte, ein Verfassungsrichter, Zeugen und Experten aller politischen Couleurs. Im Stil eines Gerichtsdramas mit offenem Ausgang, in Kreuzverhören, Plädoyers und den Auseinandersetzungen am Rand des Prozesses entsteht so ein verstörendes und widersprüchliches Bild des heutigen Russland: Verletzt Putins Kulturpolitik die Meinungsfreiheit und die Menschenrechte? Oder ist es doch die Kunst, die die Gefühle der Gläubigen verletzt? Wer ist Angreifer, wer Verteidiger?

Nach drei Tagen fällt ein nach dem Zufallsprinzip ausgewähltes Schöffengericht aus 7 Moskauer Bürgerinnen und Bürgern ihr Urteil. Für oder gegen die Künstler, für oder gegen Putin.

CREDITS:

KONZEPT, KÜNSTLERISCHE LEITUNG UND REGIE

Milo Rau


KURATION UND PRODUKTION

Jens Dietrich


KO-KURATION

Sophie-Thérèse Krempl


BÜHNE

Anton Lukas


SOUND

Jens Baudisch


ÖFFENTLICHKEITSARBEIT Yven Augustin


KAMERA

Markus Tomsche


FACHBERATUNG

Sandra Frimmel


PRODUKTIONSLEITUNG UND DRAMATURGIE

Milena Kipfmüller


REGIE-ASSISTENZ 

Yanina Kochtova


CASTING MOSKAU

Anastasia Patlay


CORPORATE DESIGN

Nina Wolters


WEB-PROGRAMMIERUNG Jonas Weissbrodt

IN KOOPERATION MIT

Deutsches Nationaltheater und Staatskapelle Weimar, Institute for the Performing Arts and Film / Zürcher Hochschule der Künste, Konzert Theater Bern, Gessnerallee Zürich, Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Memorial Russland, Sacharow-Zentrum Moskau, Wiener Festwochen, Kunstenfestivaldesarts Brüssel, Goethe-Institut Moskau, Fruitmarket Kultur und Medien GmbH.

GEFÖRDERT AUS MITTELN

der Kulturstiftung des Bundes, Bundesregierung für Kultur und Medien.

EINE PRODUKTION DES
„IIPM – INTERNATIONAL INSTITUTE OF POLITICAL MURDER“

 

 

→ Materialseite des IIPM

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